Gesundheit zum Frühstück vom 05.07.2016
BERLIN – Die Reformdiskussion über die Weiterentwicklung des 2009 eingeführten morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) in der gesetzlichen Krankenversicherung ist in vollem Gange. Bei der Debatte GESUNDHEIT ZUM FRÜHSTÜCK, eine Veranstaltung der Schwenninger Krankenkasse in Kooperation mit der RSA Allianz, diskutierten heute die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und Professor Dr. Gerd Glaeske, Gesundheitswissenschaftler der Universität Bremen, über den Finanzausgleich und notwendige Reformoptionen. Beide zählen zu den geistigen Müttern und Vätern des Morbi-RSA, waren in der Vergangenheit indes nicht immer einer Meinung.
Ulla Schmidt, immer noch voll in der der komplexen Materie stehend, mahnte zu einem behutsamen Umgang mit dem Morbi-RSA: „Den Morbi RSA nur aus Sicht von Kassenarten zu betrachten, greift sicher zu kurz. Er ist als ein lernendes System angelegt und eine grundlegende Reform, wie sie auch heute gefordert wurde, setzt eine umfassende wissenschaftliche Evaluation voraus. In dieser Legislaturperiode ist mit einer Reform nicht mehr zu rechnen.“
Professor Dr. Gerd Glaeske, der den Morbi-RSA aktuell mit zwei Studien wissenschaftlich untersucht hat, hob dagegen hervor, dass bereits jetzt konkrete und leicht umsetzbare Reformschritte den Morbi-RSA im Sinne seiner ursprünglichen Zielsetzung gerechter und weniger manipulationsanfällig machen würden: „Wenn wir in der Zuweisungssystematik auf die Hilfsgröße „Erwerbsminderungsrente“ verzichten, erhöht sich die Chancengleichheit und das System wird einfacher. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Zuweisungsgenauigkeit dadurch nicht beeinträchtigt würde, also die bedarfsgerechte Zuweisung für Versicherte, die eine Erwerbsminderungsrente beziehen, weiterhin sichergestellt wäre. Durch eine Veränderung der Berechnungsformel bei der Krankheitsauswahl würde zudem die Manipulationsanfälligkeit des Systems reduziert werden.“
Siegfried Gänsler, Vorsitzender des Vorstandes der Schwenninger Krankenkasse, bekannte sich grundsätzlich zum Morbi-RSA, machte aber deutlich: „Ein Finanzausgleich ist in unserem solidarischen Krankenversicherungssystem ohne Alternative. Wir brauchen einen fairen Kassenwettbewerb zugunsten einer effizienten und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung der Menschen. Die derzeitige Ausgestaltung des Morbi-RSA wird diesem Ziel jedoch nicht gerecht. Es gibt derzeit Kassen, die ihre Ausgaben nicht mit den Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds bestreiten können. Und das trotz guten Managements und schlanker Verwaltung. Andere Kassen wiederum bekommen mehr Geld, als sie zur Versorgung ihrer Versicherten tatsächlich benötigen. Solange wir diese Situation haben, ist etwas mächtig faul im System.“
Podcasts "Wir wollen's wissen": Der Morbi-RSA in der Kritik
O-Töne:
Ulla Schmidt (SPD), Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Bundesministerin a.D.
Prof. Dr. Gerd Glaeske, Professor für Gesundheitswissenschaft und -politik, Universität Bremen
Siegfried Gänsler, Vorsitzender des Vorstandes der Schwenninger Krankenkasse