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Herzenssache

Backen mit frischer Lebenslust: Anton Hofbauer hat wieder Freude an seinen Hobbys.

Anton Hofbauer backt einen Gugelhupf. Der braucht aber noch ein paar Minuten, und so hat er Zeit, seine Geschichte zu erzählen: 1956 in Österreich geboren, eine Ausbildung zum Bankkaufmann gemacht, 2000 nach mehreren beruflichen Stationen nach Deutschland gezogen, am Schalter gearbeitet, zweimal überfallen worden, ein Studium zum Betriebswirt drangehängt, im Außendienst gearbeitet, im Callcenter gearbeitet, bei einem Bestatter gearbeitet, in der Kindergartenverwaltung gearbeitet, im Vertrieb medizinischer Produkte gearbeitet – und fast immer sogenannten Umstrukturierungen zum Opfer gefallen. Ein rasantes Berufsleben in weniger als 500 Zeichen Text. Nicht zu reden vom privaten Leben zwischen den Zeilen: erste Romanzen, Liebe, Ehe, Kinder, lebenslange Freundschaften, Trennungsschmerz und tragische Todesfälle in der Familie. Ein Leben wie in einem Thomas-Mann-Roman. Und heute gibt es eben Gugelhupf.

Backen mit frischer Lebenslust: Anton Hofbauer hat wieder Freude an seinen Hobbys.

Zu viel Druck für Psyche und Körper

Dass Hofbauer die Zeit und den Lebenswillen hat, einen Kuchen zu backen, ist keine Selbstverständlichkeit. „Mein Leben hätte auch im Februar 2009 schon zu Ende sein können“, sagt er. „Damals habe ich während des Schneeschippens einen Herzinfarkt erlitten. Viele gehen das Leben danach ruhiger an. Das wollte ich auch tun – aber manchmal lässt sich das Leben nicht planen.“ Es folgten berufliche und private Schicksalsschläge. Ende 2017 war Hofbauer arbeitslos – und körperlich wie psychisch angeschlagen. In den folgenden Monaten schrieb er Bewerbungen. Tag für Tag. 400 wurden es letzten Endes und keine führte zum Erfolg. Den meisten Unternehmen war er schlicht zu alt.

Der Druck zehrte mittlerweile so sehr an seinen Nerven, dass er krankgeschrieben wurde. Hofbauers Krankheit zog sich so lange, dass er vom Arbeitslosen- in den Krankengeldbezug wechselte. „Ich habe erkannt, dass es schwer werden wird, wieder ins Arbeitsleben zurückzukommen. Ich wollte ja arbeiten, egal was gekommen wäre, und ich wollte wieder raus aus dem Krankengeld. Das hat den Druck erzeugt und mit jedem Tag verstärkt“, erinnert sich Hofbauer. „Mein Körper hat einfach nicht mehr mitgemacht – und auch der Druck auf den Geist wurde immer höher. Entladen hat sich das Ganze dann in einem zweiten Herzinfarkt.“

Gespräche auf Augenhöhe

Noch vor seinem zweiten Herzinfarkt bekam Hofbauer den ersten Anruf von Christiane Stade. Sie kümmert sich bei der vivida bkk um Versicherte im Krankengeldbezug. „Bei so einem Anruf denkt man erstmal: Die wollen doch bestimmt noch mehr Druck machen und fragen jetzt täglich, warum man noch keine neue Stelle gefunden hat“, erinnert sich Hofbauer. „Aber dann lief das Gespräch ganz anders als gedacht: Wir sind zuerst ein paar Formalitäten durchgegangen – und als ich irgendwann gesagt habe, dass das ganze Thema gesundheitlich auf mir lastet, sagte Frau Stade: ‚Dann nehmen Sie doch mal einen Gang raus.‘ Wir haben danach regelmäßig telefoniert – und die bürokratischen Hindernisse gemeinsam genommen.“ Hofbauer betont oft, dass die Telefonate ihn nicht nur sachlich weitergebracht haben, sondern immer auch persönlich aufgebaut: Als er beispielsweise wieder angefangen hatte, Unternehmen anzuschreiben, hat Stade ihm Glück gewünscht. Wenn Absagen kamen, hat sie ihm Mut zugesprochen. „Das waren immer sehr herzliche Gespräche. In dieser schwierigen Zeit hat sich das einfach richtig gut angefühlt.“ Auch Christiane Stade erinnert sich gerne an die Gespräche zurück: „Gerade, wenn man ins Krankengeld rutscht, denken viele leider: Ich muss so schnell wie möglich wieder da raus – egal mit welchen Mitteln. Dabei sagt das Wort Krankengeld schon: Man ist krank. Das Wichtigste ist also erstmal: Gesund werden – der Rest kommt danach.“ Klar ist: Länger krank zu sein schlägt irgendwann in große Zukunftsunsicherheit um – und nagt zunehmend auch an der psychischen Verfassung. Mit der Krankengeldregelung, die wir hierzulande haben, können sich kranke Menschen zumindest in finanzieller Hinsicht auf ein erstes Sicherheitsnetz verlassen.

Weil jeder Mensch anders ist, ist persönlicher Service für uns Herzenssache.

In anderen Ländern wäre die Existenz in Gefahr

Tatsächlich bedeutet ein Krankheitsfall in anderen Ländern oft eine größere finanzielle Unsicherheit als hierzulande. Nicht nur mit Blick auf das Krankengeld, sondern auch auf die allgemeinen Behandlungskosten. Laut Statistischem Bundesamt behandeln allein die Krankenhäuser Jahr um Jahr mehr als 20 Millionen Fälle. Wer stationär aufgenommen wird, bleibt im Schnitt etwas länger als eine Woche im Krankenhaus. Die Kosten für die Patientin oder den Patienten: zehn Euro am Tag. Die tatsächlich entstandenen Kosten sind natürlich höher. Das zeigt sich besonders deutlich in den Ländern, in denen man für Anton Hofbauer, Rentner seine Gesundheitsversorgung individuell bezahlen muss.

Hier lohnt sich ein Blick in die USA: Die medizinischen Kosten sind vor einem Eingriff oft kaum zu erahnen und variieren von Stadt zu Stadt, von Krankenhaus zu Krankenhaus. Eine einfache Ultraschalluntersuchung kann in den USA umgerechnet 200 Euro kosten – oder mehr als 1.000 Euro. Der Durchschnittspreis für eine Geburt ohne Komplikationen liegt laut einer Studie der gemeinnützigen Organisation Kaiser Family Foundation bei knapp 19.000 Euro. Notoperationen – etwa am Herzen oder am Blinddarm – kosten regelmäßig mehr als 50.000 Euro. Seit einer politisch heftig umstrittenen Gesundheitsreform („Obamacare“) sind zwar auch in den USA ein Großteil der Bürgerinnen und Bürger pflichtversichert, aber meistens übernimmt die Versicherung nur einen Teil der Kosten. Vor allem jene Menschen, die ohnehin an der Armutsgrenze stehen, sehen sich auch heute noch regelmäßig mit existenzbedrohenden Kosten konfrontiert – oft wegen medizinischer Routineeingriffe.

Solidarisch mit kranken Menschen

Natürlich kostet auch in Deutschland die Behandlung einer Lungenentzündung im Krankenhaus einige Tausend Euro. Und auch in Deutschland gibt es medikamentöse Behandlungen, die mehrere Hunderttausend Euro pro Jahr kosten. Aber: Die Preisrahmen für Behandlungen und Medikamente sind gesetzlich stärker reguliert. Viel wichtiger noch: Die Patienten kommen mit den Kosten meist überhaupt nicht in Berührung, weil sie vom Solidaritätsprinzip profitieren. Alle zahlen monatlich in einen Versicherungstopf ein: Junge, Alte, Geringverdiener, Bessergestellte. Wird man krank, werden die Behandlungskosten dann aus diesem Topf bezahlt. Der Schnupfnasenbesuch des Rentners beim Hausarzt genauso wie die kostenintensive Behandlung eines Kindes mit spinaler Muskelatrophie – und eben auch das Krankengeld.

Jeder Fall ein Einzelfall

Kurz vor dem zweiten Herzinfarkt hatte sich Hofbauer dafür entschieden, für einen vorzeitigen Renteneintritt zu kämpfen. „Auch hier hat mich Frau Stade mit allen möglichen Mitteln unterstützt“, sagt Hofbauer. „Aber als ich aus der Klinik kam, wartete der Nackenschlag: Der Rentenantrag war abgelehnt worden. Da bin ich in ein Loch gefallen, anders kann man’s nicht sagen.“

Die Reha verlief entsprechend schleppend, musste verlängert werden. Dann klingelte das Telefon. Frau Stade fragte wie immer zunächst nach dem Wohlbefinden. „Ich sagte ihr: Gesundheitlich geht’s wieder etwas bergauf. Ich warte jetzt auf den Abschlussbericht der Reha, damit ich dann vielleicht einen neuen Antrag stellen kann“, sagt Hofbauer. „Dann antwortet sie doch echt: ‚Müssen Sie nicht. Ihr bewilligter Rentenbescheid liegt bei uns schon auf dem Schreibtisch.‘“ Stade hatte sich während der Reha-Zeit um alle Formalitäten gekümmert. „Unser Job ist es, dass Menschen, die krank sind, gut betreut werden. Da gibt’s aber kein Patentrezept, weil jede und jeder etwas anderes braucht: Bei manchem Patienten geht es darum, unbürokratisch Krankenfahrten zu organisieren, beim nächsten muss man die Zeit bis zu einem anstehenden Therapiebeginn mit sinnvollen Hilfsmitteln überbrücken, der Dritte braucht vielleicht einfach nur ein paar aufmunternde Worte. Was aber bei fast allen Fällen gleich ist: Wir schauen, dass das Krankengeld so schnell wie möglich fließt. Und – vielleicht das Wichtigste: Wir unterstützen beim Ausfüllen und Einreichen aller nötigen Formulare – und das sind nicht wenige“, lacht Stade. „Für viele Formulare gibt es strenge gesetzliche Rahmenbedingungen. Ich bin selbst kein Fan von Bürokratie – aber gerade als Patientin oder Patient hat man ja üblicherweise noch weniger Drang, irgendwelche Formulare auszufüllen. Da übernehme ich immer, so viel ich kann.“ Hofbauer dankt es ihr bis heute. 

Hofbauer weiß, wie wichtig gute Fürsorge ist – nicht nur für seine Orchideen.

„Bei jedem Anruf von Frau Stade habe ich gespürt: Ich bin mehr als eine Nummer im System. Sie hat nicht einfach nur den Anruf abhaken wollen, sondern hat sich viel Zeit genommen, mir zugehört und mich immer wieder aufgebaut.“

Anton Hofbauer, Rentner

Zeit für Dankbarkeit

Formulare ausfüllen muss Hofbauer – als Rentner – heute kaum noch. Er geht stattdessen lieber im Wald spazieren, um Pilze zu sammeln, kümmert sich um seine ansehnliche Kakteensammlung und engagiert sich in seiner Kirchengemeinde. Gerne erzählt er von einem seiner ersten Tage als Rentner: „Ich bin zum Wertstoffhof gefahren. Im Gepäck hatte ich eineinhalb Bananenkisten voll mit Unterlagen: Alte Formulare, Bewerbungen, Absagen. Ich habe sie in den großen Papiercontainer gelegt. Dann habe ich nach einer großen Schaufel gegriffen und die Kisten damit mit voller Kraft in die letzte Ecke geschoben.“ Das Gewicht dieser Kisten habe ihm jahrelang auf den Schultern gelastet. „Ich kann nur dankbar sein, dass mir so viele Menschen geholfen haben, diese Last über die Jahre zu tragen: die Ärzte, die Reha-Pfleger, die Freunde und meine Familie – und natürlich Frau Stade“, sagt Hofbauer. Mittlerweile ist auch sein Gugelhupf fertig. Den hat er sich verdient. 

Bilder © Thomas Dashuber

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