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Ferrari im Kopf

Die Weite der Natur hilft Martin Leonhard beim Abschalten und gegen seine Migräne.

Im Alter von 14 Jahren ging es plötzlich los. Manchmal ohne Vorwarnung, manchmal kündigte er sich schon ein paar Stunden vorher an: ein pochender und pulsierender Kopfschmerz. Anfangs nur gelegentlich, dann immer häufiger. Für Martin Leonhard der Beginn eines langen Martyriums: „Während meines Studiums bin ich regelmäßig zwei Nachmittage pro Woche ausgefallen“, erzählt der heute 56 Jahre alte promovierte Physiker. Erst mit 28 Jahren wurde Migräne als Ursache diagnostiziert.

Abhilfe war aber keine in Sicht, die wiederkehrenden Kopfschmerzen und Begleitsymptome wie Übelkeit und Überempfindlichkeit machten ihm immer stärker zu schaffen. Es folgten zahlreiche Besuche bei verschiedenen Fachärzten – mit mäßigem Erfolg. „Nur ein Triptan, eine spezielle Arznei gegen Migräne, hat bei mir gewirkt“, berichtet er über sein Leben mit Migräne. Mit der Zeit ließ aber auch diese Wirkung nach und es sah so aus, als ob alle Therapiemöglichkeiten erschöpft waren. Hinzu kam, dass seit 2014 auch in schmerzfreien Perioden die Konzentrationsfähigkeit immer wieder stark eingeschränkt war. „Aufgeben war aber nie eine Option für mich, dafür ist das Leben viel zu schön“, betont der leitende Angestellte in der Medizintechnik.

Vorgänge bei einem Migräneanfall: Wenn die Nerven überdrehen

Verschiedene Studien zeigen, dass Migränepatienten besonders leistungsfähig sind. Das Gehirn nimmt Reize früher und schneller auf als bei anderen, das Nervennetz läuft ständig am Limit. „Wir Migränepatienten haben einen Ferrari im Kopf“, sagt Leonhard schmunzelnd, „wenn wir keine Kopfschmerzen haben, sind wir sehr leistungsfähig.“ Doch die Dauerbelastung verbraucht sehr viel Energie – und der Körper kommt irgendwann nicht mehr nach. Die Nerven setzen dann Botenstoffe frei, und es entsteht eine Entzündung in den Hirngefäßen. Der sehr starke Migränekopfschmerz entsteht, und mit ihm oft Begleitsymptome wie Übelkeit, Erbrechen, Lärm-, Licht-, Bewegungs- und Geruchsüberempfindlichkeit.

Migräne-Behandlung: Aufatmen an der Ostsee

2018 kam Leonhard in die Schmerzklinik nach Kiel: „Dort habe ich gelernt, auf die Signale meines Körpers besser zu hören und sie richtig zu deuten.“ Er geht regelmäßig wandern oder spazieren, um die Reizüberflutung zu reduzieren und seinen Nerven eine Auszeit zu gönnen. Außerdem isst er am späten Abend noch eine kohlenhydratreiche Mahlzeit, um die Energiereserven aufzufüllen. „Ich habe gelernt, öfter und bewusster Nein zu sagen.“ Heute muss Martin Leonhard weniger Medikamente nehmen und kommt mit den Anfällen besser zurecht.

Leben mit Migräne: Kieler Migränekoffer

Mit neuem Schwung und sozusagen einem Koffer voller neuer Erfahrungen habe ich die Kieler Klinik verlassen“, erzählt er. „Ich war richtig euphorisch, dass ich nicht vor dem vermeintlichen existenzbedrohenden Abgrund stand.“ Um anderen Migränepatienten zu helfen, hat er seine Erfahrungen in einem Buch aufgeschrieben. „Es gibt viele Fachbücher zu Migräne, aber fast keine Erfahrungsberichte von Betroffenen“, so Leonhard. In seinem Erfahrungskoffer finden sich Dinge, die Migränepatienten abseits von Medikamenten helfen können. Er beschreibt beispielsweise eine Wanderung als Achtsamkeitsübung, eine Kombination, die ihm sehr hilft. Statt „viel Gesundheit“ wünscht er seinen Lesern Kraft, Geduld und die Fähigkeit, Glücksmomente im Alltag erleben zu dürfen: „‚Viel Gesundheit‘ passt bei einer genetisch bedingten Erkrankung einfach nicht.“ 

In Martin Leonhards Erfahrungskoffer finden sich Dinge, die Migränepatienten abseits von Medikamenten helfen können.

Kein Schema F

„Dass ich keine Therapiemöglichkeit gefunden habe, die mir wirklich hilft, hat mich belastet“, erzählt Leonhard rückblickend. 2018 hatte die vivida bkk eine Partnerschaft mit der Schmerzklinik in Kiel vereinbart. „Mir wurde der Aufenthalt empfohlen und die Kosten dafür übernommen.“ Seit rund 20 Jahren ist er Kunde der vivida bkk und dankbar, dass sein Fall nie nach „Schema F“ behandelt wurde: „Es hieß nie ‚Das ist so nicht vorgesehen‘. Die Mitarbeiter haben sich meine Situation angehört und gemeinsam mit mir nach der besten Lösung gesucht.“

Bilder © Sabina Paries

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